Wer braucht einen Plattendeal?

Es hat sich bekanntlich viel verändert im schönen Musikbusiness. Neue Geschäftsmodelle an jeder Ecke, erfolgreiche Acts kündigen ihre Plattenverträge, die Medien jubilieren – und „kleine“ Musiker sind irritiert: was ist das beste für mich ganz persönlich? Um eine Antwort zu finden, muss jeder für sich wissen, was er will – und vor allem, was er kann.

Die 3 Pros eines Plattenlabels
Was eindeutig für die Plattenfirmen spricht, sind ihre Vertriebsstrukturen, die unabhängig von der Größe des Gebietes immerhin flächendeckend sind. Weiterhin verfügt ein Label über jahrelang gepflegte Kontakte zu Radioredakteuren, Fernsehsendern, Print- und Onlinemedien, Tourneeveranstaltern, nicht zuletzt auch zum Einzel- und Versandhandel. Und dann wären da noch die finanziellen Ressourcen, die man in die Promotion und damit in die Etablierung eines neuen Musikers stecken kann. Zugegeben, das sind stichhaltige Argumente, vor allem dann, wenn es um Musik im aktuellen Chartsegment geht.

Der Mythos – aufgeklärt
Wer also ohne Plattenfirma agieren mag, müsste die oben genannten drei Punkte selbst erfüllen: über einen eigenen Vertrieb verfügen, ordentlich Promotion betreiben, viel Geld haben.

Um die eigene Musik – physisch – flächendeckend in die Läden zu bringen, kann man sich eines fremden Vertriebes bedienen. So halten es die meisten Indielabels. Für die Promotion lässt sich ein externer Promoter beauftragen. Genau so sieht das „neue“ Modell aus, dessen sich immerhin solch große Acts wie Madonna, Moby oder Nine Inch Nails bedienen.

Wäre da nicht die Sache mit dem Geld. Die oben erwähnten mögen sich damit leicht tun, sind sie doch a) hinreichend bekannt und b) vermögend genug, um diese Kosten selbst zu tragen. Für einen unbekannten Musiker ist das finanzielle Risiko also extrem hoch, sofern das Budget überhaupt vorhanden ist. Insbesondere bei Chartthemen, also Musik im Stile dessen, was halt aktuell so im Radio läuft, muss man bei der Bewerbung zudem hohe Streuverluste in Kauf nehmen, da man eine nicht klar definierte Zielgruppe anspricht. Statt Doom-Metallern oder Hardstyle Fans bearbeitet man eben die komplette Altersgruppe von 14 bis 29.

Fazit: Wer mit aktuellem Sound in die Charts kommen will, ist mit einer erfahrenen, einflussreichen und finanzkräftigen Plattenfirma gut bedient.

Die Alternative: Nischenprodukte
Das oben bereits erwähnte Geschäftsmodell des „Ich-Labels“ lohnt sich dafür umso mehr im Bereich der Nischen- oder Spartenmusik. Musik, die nicht zwingend den aktuellen Trends entspricht, dafür aber ein bekennendes Publikum anspricht: Rockabilly, Dirty South, Psychedelic Rock, Free Jazz und so weiter.

Hier sind Zielgruppe, Medien, Liveclubs, (online) Radiosender und Verkaufsstellen meist sehr eng eingegrenzt. In anderen Worten: unter den Lesern eines Hip Hop Magazines werden sich nur wenige bis gar keine Liebhaber der Volksmusik finden. Folglich lassen sich auch die Promotion sehr gezielt planen, das Budget entsprechend sicherer einsetzen und somit die Anzahl schlafloser Nächte geringer halten.

Wann lohnt sich das „eigene Label“?
Hier müssen wir letztendlich die Zielsetzung festlegen: will man um jeden Preis bekannt werden oder tatsächlich Geld verdienen?

Wem es gelingt, in Eigenregie 500 CDs zu verkaufen (Direktverkauf und über Vertriebspartner), wird – über den Daumen gepeilt – finanziell besser fahren als mit der dreifachen Menge, die über ein Label verkauft wird. Und das wäre dann für derartige Nischenprodukte schon ein guter Wert (natürlich abhängig von der Größe der jeweiligen Nische).

„Mit 3.000 verkauften Einheiten im Hard Rock / Melodic Rock Bereich zählst Du schon zu den Großen der Szene – abgesehen von den Stars von früher…“ sagt Birgitt Schwanke von GerMusica Promotion (die übrigens bei MusicBiz Madness 2014 einen Vortrag halten wird). Ein befreundeter Musiker spielt in einer recht angesagten deutschen Metal Band, die schon das eine oder andere Titelblatt geziert hat – Verkaufserwartung pro Album: 5.000 bis 8.000 Stück.

Wer also in einer speziellen stilistischen Sparte lieber kleinere Stückzahlen verkaufen will, dafür aber pro Einheit mehr verdienen kann, dem sei tatsächlich dazu geraten.

Das Label als Sprungbrett
Eine weitere Alternative ist der Weg, den die großen gewählt haben: mit Hilfe des Labels eine gewisse Bekanntheit erzielen, dann rechtzeitig abspringen und in Eigenregie weitermachen – mit höherer Verkaufsbeteiligung. So würden die ersten zwei oder drei Alben, die das Label veröffentlicht, eher kostendeckend wirken. Mit den folgenden selbstveröffentlichten Sachen ließe sich die (vom Label) angesäte Wiese dann ordentlich abgrasen und dabei größere Gewinne erzielen.

 

Bleibt anschließend der Ratschlag, den wohl hoffentlich jeder besorgte Vater seinen Kindern gibt: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet…“.

 

— Am 12.10.2014 findet übrigens die zweite MusicBiz Madness Konferenz mit dem Schwerpunkt Promotion und Marketing in Frankfurt statt. Mehr zu Themen, Referenten und Anmeldung in Kürze.

 

Viel Erfolg – Julian Angel

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Über Julian Angel

Julian Angel ist chartnotierter Rockmusiker mit Hollywood Filmmusik Credits, Eventproduzent und Organisator der MusicBiz Madness Konferenz, Deutschlands erster Musikbusiness Konferenz für Musiker.
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