Realistischer Streamingerfolg (Interview mit Olaf Meinecke)

Streamingerfolge sind in aller Regel entweder für Musiker wie uns unrealistisch oder nicht vorhanden. Umso schöner, wenn wir jemanden aus unseren Reihen finden, bei dem es gut läuft – und obendrein gewillt ist, seine Erfahrungen zu teilen.

Olaf Meinecke betreut über seinen Verlag Vincent Music sich selbst und viele andere Künstler und pusht deren Veröffentlichungen ordentlich auf den gängigen Streamingplattformen. Wir fragen einmal genauer nach…

Julian Angel (J.A.): Olaf, Du hast in letzter Zeit mit Freude über Deine Streamingerfolge berichtet. Für „self-made“ sind die Zahlen wirklich beeindruckend. Vor allem scheinst Du herausgefunden zu haben, wie Spotify funktioniert – jedenfalls für Dich. Lass uns Dir ein wenig auf den Zahn fühlen. Wann hast Du damit angefangen und wie viele Titel sind es mittlerweile, die Du im Umlauf hast?

Olaf Meinecke (O.M.): Vor etwas mehr als 1 1/2 Jahren habe ich angefangen. Seit dem baue ich meinen Katalog auf. Bald feiere ich meine 100. VÖ – zu den Promo Singles erscheinen in der Regel simultan ein Video und entsprechend eine Werbekampagne über Reels und Foren auf Facebook, YouTube, Insta und TicToc. Das hilft. Insgesamt habe ich 19 Alben, und Singles ohne Ende am Start. Das sind mittlerweile weit über 200 Songs, inklusive Collabos. Dazu kommen die Alben, die ich gerade plane, oder an denen ich bereits arbeite.

J.A.: Was ist Dein erklärtes Ziel damit? Ein regelmäßiges passives Einkommen zu erzielen oder Geld für den späteren Ruhestand anzulegen?

O.M.: Für den Ruhestand wird das nicht reichen. Turne bis zur Urne. Die Streaming Welt will auch regelmäßig gefüttert werden. Am Ball bleiben, also alle vier Wochen eine neue Single, am besten über mehrere Projekte alle zwei Wochen! Vor dem Album bis zu drei Singles. Nach der VÖ vielleicht noch einen Nachbrenner. Und Du brauchst Vorlaufzeit: Upload, Moderation dauern teilweise zwei Wochen, dann weitere zwei Wochen Vorlauf für Promo, Vorverkaufsfrist (Pitching). Das sind locker vier Wochen, die Du für die Jingle Produktion, oder das Video brauchst. Merkst Du was? Du arbeitest immer, die ganze Zeit! Was Du nicht selber kannst, musst Du bezahlen.

Olaf Meinecke, Vincent Music Hannover

J.A.: Wie pushst Du Deine Musik, damit sie gehört wird – vor allem regelmäßig? (Du wirst jetzt wohl Playlisten ins Spiel bringen, da hake ich gleich „organisch“ nach :-))

O.M.: Es geht nur über Playlisten. It’s all about playlisting. Das ganze Streaming Konstrukt funktioniert so, da darf man sich nichts vormachen. Spotify generiert dir sofort sound-alike „Radio“ Listen. Da sieht man genau wo man steht, vergleicht man sich mit diesen Künstlern. Das ist auch ganz unromantisch. Sieh‘ auf die Zahlen. Dein Produkt muss super sein, da gibt es keine Diskussion.

J.A.: Wie findest Du die mysteriösen Betreiber solcher Playlisten, und hast Du einen erfolgreichen Weg gefunden, sie zu überzeugen? Betreibst Du außer dem Pitchen Deiner Songs weitere Kontaktpflege?

O.M.: Pay for Play lehne ich ab. Für 1$ den Du verdienst, spülst Du 3$ im Klo runter. Das sollte jedem einleuchten, der schon mal Taschengeld bekommen hat, es ist sinnlos. Gut, man kann das auch als Werbung betrachten, aber das funktioniert im Bodensatz der Quoten sicher nicht, da braucht man vernünftiges Marketing und richtig viel Etat damit die Maschine ggf. rollt.

Pitching ist wichtig, aber Du musst direkt an die Kuratoren und die Sachen immer wieder gezielt anbieten. Richtig Klinken putzen und Manpower sind angesagt. Konzentriere Dich auf das Produkt und kümmere Dich um den Aufbau einer Diskografie. Hast Du mehrere Acts, dann mach Features und verknüpfe das anständig. Wenn dann ein Song zum Hit wird, gibt es einen Trickle Down Effekt.

J.A.: Wenn ein Song einmal „läuft“, spielt er Dir dann auf Dauer Geld ein, oder braucht er immer wieder einen Schub?

O.M.: In der Regel passiert oft erstmal wenig, oder gar nichts. Wenn es dann zündet, Druck machen. Die Welle dauert etwa zwei bis vier Wochen an, dann ist der Fisch tot. Dann muss bereits der nächste Song da sein. Und immer wieder Promo! Sicher, wenn Du irgendwann genug Streams hast, dann arbeitet der Algorithmus auch für dich. Gemerkt habe ich das ab 500k und dann bei 1M hat es jetzt auch geruckelt. Ohne Strategie wird das nichts. Erfolg ist skalierbar. Du musst deine Statistiken studieren! Die Summe macht es.

J.A.: Achtest Du dabei auf bestimmte Stilrichtungen, weil sie besonders gut laufen? Es scheint ja Musiker zu geben, die mit Coverversionen großer Hits ganz gute Erfolge erzielen?

O.M.: Du kannst nicht beschwören, ob beispielsweise Rock besser als Black Music läuft. Beides ist gut. Flops gibt es genug, habe ich auch vorzuweisen. Ich habe auch Cover Songs laufen – mal so, mal so. Keine Garantie. Wenn Du produzierst, versuchst Du den nächsten Trend zu setzen. Aber manchmal laufen eben auch die ollen Kamellen. Remaster und ab dafür. Es geht um Sound, um etwas neues. It’s the Singer not the Song! Klar, paar Cover sind okay, um sich zu etablieren. Da hat sich seit den 1960ern nichts geändert, aber eine Schwalbe macht noch längst keinen Frühling.

J.A.: Was tust Du genau, um einen Track oder ein Album zu promoten?

O.M.: Im wesewesentlichen sind das Video Jingles für den Social Media Content, das macht sich immer gut. Bewegte Bilder rocken einfach mehr als Fotos. Es geht vor allem darum, Reichweite zu generieren, also mehr Leute zu erreichen. Wenn ich einen Schwerpunkt habe, schalte ich schon mal Werbung auf Facebook, oder Marquee. Auf Insta ist das rausgeschmissenes Geld. Es bringt auch nichts, sich Follower zu kaufen, weil das nur Artificials sind; das sieht vielleicht gut aus, aber bringt natürlich nichts. Das muss man alles händisch erreichen. Derzeit erweisen sich Reels als hip, vor einiger Zeit waren Stories noch mehr in Mode. Immer die Statistik im Blick und sich anpassen! In Wirklichkeit weiß doch niemand, wie der jeweilige Algorithmus funktioniert, und das ändert sich auch ständig.

J.A.: Wenn Du Kollaborationen veröffentlichst, hast Du einen Contentaggregator, der die Anteile gleich splittet und entsprechend an die Anteilseigner ausschüttet?

O.M.: Ja, in der Tat hat mein Vertrieb so ein Tool, das ich aber noch nicht benutzt habe. Pour quoi? Weil der Benefit im Mittel etwa bei 1$ pro 1000 Streams liegt, abzüglich der Vertriebskosten. Auf 1 Million Streams erhält man so rund 1000$ – da darf man also easy die letzten drei Nullen streichen. Das bedeutet, bevor ein Release die Produktions- und Administrationskosten einspielt, vergeht ’ne Menge Zeit bis zum Break Even. Wir reden hier über Prozentpunkte in der Umsatzbeteiligung. Es geht bei einer Collabo vorrangig um Reichweite. Anders verhält es sich bei der GEMA.

J.A.: Verteilt die GEMA auch zuverlässig ihre Tantiemen?

O.M.: Wer schreibt, der bleibt. Komponisten und Texter können bereits beim Upload über den Vertrieb vernetzt werden, was bedeutet, dass die GEMA bereits die Künstlerzuordnung automatisch erhält. Als Verlag muss ich das natürlich kontrollieren und ggf. korrigieren, denn schließlich ist das bare Münze. Hier haben die Collabos ihren Benefit. Vorausgesetzt, sie kümmern sich um ihre Mitgliedschaft. Es ist wie bei den alten Blues Men, wenn Du zu blöd bist, gibt es gar nichts. Deshalb frage ich immer nach und dränge die Künstler zur Rechteverwertung.

Unterm Strich klingt das erstmal alles nach wenig Geld. Dann sind deine Zahlen aber einfach zu niedrig. Wenn jetzt ein Künstler, wie beispielsweise Beyoncé, 1.2 Milliarden Klicks auf der Single hat und man da die drei Nullen streicht, dann sprechen wir hier auch über richtig fetten Gewinn… plus Erlös aus den Urheberrechten. Das alles wird nach Sekunden abgerechnet, was die GEMA umso wichtiger macht. Es ist letztlich die Spieldauer und nicht die Anzahl der Klicks.

Auf der Website der GEMA gibt es ein super Tool, den Beitragsrechner. Dort kann man mit einem Fader die Verteilerschlüssel simulieren und genau sehen, wieviel Streams Du beispielsweise brauchst um deinen Mitgliedsbeitrag zu erwirtschaften. Damit weißt Du auch, wieviel Gas Du machen musst. Im Musikgeschäft gibt es keine Geschenke, höchstens Auszeichnungen.

J.A.: Vielen Dank für die Einblicke in Deine Arbeit, Olaf. Wer sich mit Olaf kurzschließen oder für Mixes und Mastering beauftragen mag, kann dies hier tun: https://vincent-music-hannover.de

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Über Julian Angel

Julian Angel ist chartnotierter Rockmusiker mit Hollywood Filmmusik Credits, Eventproduzent und Organisator der MusicBiz Madness Konferenz, Deutschlands erster Musikbusiness Konferenz für Musiker.
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