Steckt die Musikindustrie wirklich in einer Krise? Oder haben sich nur die Käufer vom Mainstream abgewandt? Ein paar „ketzerische“ Gedanken zur Krise der Musikindustrie, die zeigen, dass es an bestimmten Stellen so gar nicht wirklich kriseln mag.
Die gewagte Behauptung:
Die Krise betrifft überwiegend den Mainstream, während sich viele Nischenprodukte unvermindert stark oder mit neuem Elan behaupten. Schlager, Hip Hop, volkstümliche Musik und extreme Metal Stile finden sich plötzlich oben in den Charts – in der Regel sind das die Albumcharts, was das dortige Interesse an kompletten Alben im Gegensatz zu einzelnen Tracks klar bestärkt. Im Normalfall schießen solche Alben auch just in der Woche ihrer Veröffentlichung nach oben.
Hinzu kommt ein aktueller Boom an hochpreisigen Box-Sets oder Sammlerboxen, und alles zusammen deutet darauf hin: die Fans kaufen gezielt. Fans sind hier auch das Stichwort, das Hoffnung macht. Sie haben sich über die Jahre als loyal und begeistert erwiesen, während der reine Musikkonsument nach und nach als Käufer wegbricht. Doch sehen wir uns beide Spezies zunächst genauer an:
Der Musikkonsument
Der Musikkonsument verfügt über eine weniger starke und wenn, dann meist nur kurzfristige emotionale Bindung zur Musik. Auch nur selten hat er einen klaren eigenen Musikgeschmack entwickelt, mag alles, was gerade so in ist und im Radio läuft. Der Musikkonsument besorgt sich schnell mal den Strandhit des letzten Urlaubes als Erinnerung, bis auch diese mit dem Eintreten des Alltags wieder schwindet. Nicht selten hat er früher Platten gekauft, für die er sich heute schämt. Musik erweckt dann seine Aufmerksamkeit, wenn sie ihm durch Radio, TV oder in Clubs gnadenlos und lange genug um die Ohren gespielt wurde und sich in den Gehörgängen festgesetzt hat. Zugegeben, das klingt nicht nach dem idealen Ziel einer Musikmarketing Kampagne.
Der Fan
Der angenehmere Adressat ist der Fan, der richtige Musikliebhaber. Jemand, der unabhängig vom Diktat der Massen einen eigenen Musikgeschmack entwickelt hat, dessen er sich auch rückblickend nicht schämen muss. Er befasst sich intensiv mit der Musik und ihren Schöpfern, weshalb selbige für ihn weniger ein Konsumgut als vielmehr der Soundtrack seines Lebens ist. Und diesen Soundtrack wählt er selbst aktiv aus. Auf Wegen und an Stellen, die dem Massenkonsumenten verborgen bleiben, stöbert er neue Musik auf, die dann schon lange in seinem Sammelregal steht, bevor der erste Radiosender auch nur einen Anspielversuch wagt.
Die Folgerung
Es klingt nicht nur einleuchtend, dass es wirtschaftlich klüger sein muss, dem Metal Fan seinen Metal zu geben und den Rapper mit Hip Hop zu versorgen, statt sich abzumühen, ein bunt gemischtes Publikum von neun bis neunundneunzig zu einem neuen Musiktrend zu bekehren. Wie bereits erwähnt, deuten viele Beobachtungen darauf hin:
Der Konsument schwindet – der Fan bleibt.
Chance für Indies und Selbstvermarkter
Die Chance liegt nun bei denen, die ihre Zielgruppe am besten kennen: Indielabels und ungesignte Musiker, die sich selbst vermarkten. Sie sind selbst Teil einer bestimmten Szene und wissen, wo und wie sie ihre potentiellen Fans erreichen können. Sie nutzen die Gelegenheit, in bestehende stilistisch eindeutig geprägte Netzwerke vorzudringen und sich dort zu präsentieren, egal, ob es sich dabei um Punk, Jazz, Reggae, House oder Psychedelic Rock handelt.
Gerade solche klar definierte Fangruppen waren vor der Zeit des Internets restlos vernachlässigt worden. War ihr Stil einmal ‚out’ gewesen, galt er in den Regalen der großen Fachmärkte als quasi nicht existent. Heute lassen sich aber durch das Internet noch so rare und obskure Stilistiken aufspüren, wodurch die wahren Fans noch einmal umso glücklicher und dankbarer sind – dafür, dass sie mit genau dem, was sie lieben, bedient werden.
Also, bedienen wir die Hörer, die unseren Musikstil ohnehin schon lieben. Aktuelle Entwicklungen belegen den Bedarf.
Viel Erfolg – Julian Angel
P.S. die MusicBiz Madness Konferenz 2014 findet am 12.10. in Frankfurt statt. Alle Infos findest Du hier.
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