Moritz Maier betreibt einen Gemischtwarenladen – ein Tonstudio. Wir haben ihm auf den Zahn gefühlt, wie in der heutigen Zeit in einem Studio gearbeitet wird und welche Vorarbeit Musiker leisten können, bevor sie einen Toningenieur beschäftigen. Und da wir auf den ganzen „Biz“ Madness stehen, kam Moritz nicht umhin seinen Werdegang inklusive Vermarktung darzulegen.
Julian Angel (J.A.): Hi Moritz, auf welchem Weg bist Du denn dazu gekommen, in Deinem Tonstudio Musikproduktionen anzubieten. Hattest Du zunächst ein eigenes Studio für Dich und hast Deine Dienste nach und nach auch anderen angeboten, oder hast Du direkt ein Tonstudio gegründet, um damit Geld zu verdienen?
Moritz Mainer (M.M.): Hi Julian, ich bin zu dem ganzen Thema Tonstudio und Musikproduktion ursprünglich überhaupt nur gekommen, weil sich nach der Schule meine damalige Band aufgelöst hat und ich aber weiterhin Musik machen wollte. Meine Idee war damals, wenn ich am Rechner alles selbst aufnehmen kann, brauche ich gar keine Band mehr. Nach und nach ist mir dann aber aufgefallen, dass ich ganz gerne mit Menschen zusammenarbeite und nicht gerne alleine vorm Rechner sitze. Als ich dann nach dem Studium mein Tonstudio gegründet habe war das von Anfang an so geplant, dort andere Musiker aufzunehmen und natürlich damit auch Geld zu verdienen, das ist ja schließlich mein Beruf.
Hin und wieder nutze ich das Studio aber natürlich auch für eigene Projekte wie jüngst die EP meiner Band „The Miss Sophies“.
J.A.: Du bist also gleich gewerblich in die vollen gegangen. Dazu gehört natürlich viel Mut, schließlich muss sich so etwas betriebswirtschaftlich rechnen. Das Equipment muss sich bezahlt machen, die Räumlichkeiten wirst Du auch nicht geschenkt bekommen. Was hast Du denn getan, um an Kunden zu gelangen? Und ab wann hast Du beruhigt schlafen können?
M.M.: Hm, das hat sich für mich damals gar nicht so spektakulär und mutig angefühlt, sondern war einfach der nächste logische Schritt. Ich hatte aber auch ganz gute Startbedingungen: das nötigste Equipment hatte ich schon im Studium nach und nach angesammelt, dazu konnte ich mich im Tonstudio in dem ich mein Praktikum gemacht hatte sehr günstig mit einmieten, die dortige Infrastruktur (Mikros etc.) mitnutzen und bekam darüber auch die ersten kleinen Jobs. Viel wichtiger aber war in dem Besitzer Geo Schaller jemanden zu kennen, der mir vorgelebt hat, dass es möglich ist davon zu leben.
J.A.: War er eine Art Mentor für Dich? Das hört sich fast so an, als hättest du dann ganz im klassischen Sinne die „kleineren“ Projekte zugeschustert bekommen…
M.M.: Ja genau, das war echt so eine Art Mentor für mich, neben dem eigentlichen Handswerkzeug hab ich über ihn halt auch viele andere wichtige Dinge gelernt, die als selbständiger wichtig sind, die einem an der Uni aber niemand beibringt. Etwa wie GEMA, KSK, GVL und andere Dinge funktionieren, die für einen Erfolg als Musikschaffender mindestens ebenso wichtig sind wie die musikalischen Skills. Oder auch das Thema Steuern und Finanzen usw…
Geo hat mich nach und nach in kleiner Projekte mit eingebunden und mich etwa als Gitarrist für Sessions gebucht. Irgendwann haben wir dann auch ganze Produktionen zusammen gemacht.
Nach und nach hab ich dann meinen eigenen Kundenstamm aufgebaut. Wichtig waren hierzu natürlich vor allem persönliche Kontakte aber auch gezieltes Netzwerken auf entsprechenden Messen, aber auch bei Konzerten von Bands oder auf Parties oder in der Kneipe.
J.A.: Magst Du hier einmal genauer auf die einzelnen Methoden zur Kundengewinnung eingehen?
M.M.: Da hab ich ganz viel ausprobiert und getestet. Vieles auch wieder verworfen. Klassische Telefonakquise ist für mich ein Ding der Unmöglichkeit. Ich finde das ganz schlimm Leute einfach anzurufen und mich vorzustellen. Wenn man so empfindet, dann wird das auch nie erfolgreich sein, also hab ich es gelassen. Andere Dinge dagegen machen mir Spaß und funktionieren deshalb auch gut.
J.A.: Telefonakquise kenne ich von der Sponsorensuche für die Konferenzen. Grausam. Womit hattest Du dann mehr Erfolg?
M.M.: Zum Beispiel hab ich meine Webseite für Suchmaschinen optimiert (Lesetipp: „Guerilla SEO“ von Christian Schmid) damit mich die Leute gut finden können. Auch einen Newsletter habe ich aufgebaut, und immer wieder regelmäßig bei Facebook interessante Posts erstellt um die Leute auf dem Laufenden zu halten, was so bei mir passiert und möglich ist. Hilfreich sind auch gute Bewertungen bei Google My Business um in den Rankings weit vorne zu liegen. Total gute Erfahrungen habe ich auch mit Ebay Kleinanzeigen gemacht, darüber bewerbe ich meine Logic Pro X Unterricht, das funktioniert total gut.
Das mit dem ruhig schlafen kommt dann irgendwann von alleine, weil man einfach weiß, dass immer wieder jemand anrufen wird und sich immer wieder etwas neues ergeben wird. Ich bin aber auch immer offen für neue Ideen und Betätigungsfelder gewesen. Hauptsache es ermöglicht mir weiterhin mein Studio zu betreiben und Musik zu produzieren. So mache ich beispielsweise sehr viel Sprachaufnahmen fürs TV, das ist jetzt nicht sonderlich spannend, bezahlt aber die Miete und hält mir den Rücken frei.
J.A.: Auch wenn es für Dich unspektakulär erscheinen mag, für viele bleibt es etwas unerreichtes, fürs Fernsehen zu arbeiten. Was hast Du hierfür getan?
M.M.: Das war so ein klassisches Vitamin B Ding, ein Kommilitone von mir macht das schon ewig und als bei einer Firma für die er viel macht jemand gebraucht wurde hat er mich ins Spiel gebracht. Ich hab mir dann Pro Tools drauf geschafft und mache das seither immer so ein paar Tage im Monat. In Köln gibt es halt so viele TV Sender und Produktionsfirmen, dass das immer gebraucht wird.
J.A.: Kommen die dann zu Dir ins Studio, oder läuft das über die digitale Leitung? Bei letzterem wäre ja der Ortsfaktor wiederum weniger wichtig, oder?
M.M.: Zum ganz großen Teil passiert das im Studio der Produktionsfirma. Ab und an auch bei mir wenn die schon ausgebucht sind. Auch hier geht der Trend aber immer mehr dahin übers Netzt zu arbeiten. Als ein neuer Standard etabliert sich dabei gerade die Software „Sessionlink Pro“ mit der man eine Audioverbindung zum Sprecher via Browser einrichten kann. Letzte Woche hab ich so eine Session mit einer Sprecherin gemacht, die ihr Studio auf Fuerteventura hat und von dort aus ihre Jobs macht.
J.A.: Filmmusiken machst Du ja auch noch, per Auftragskomposition. Auch hier die gleiche Frage, wie hast Du das wieder geschafft?
M.M. Das Handwerk dazu hab ich ebenfalls über Geo im Praktikum gelernt. In meinem Studium (Audiovisuelle Medien) gab es zudem total vielen Leute die Filme, Videos oder Computer Spiele produziert haben und die brauchten halt alle Musik für ihre Sachen. Das spannende an Filmmusik finde ich die große musikalische Bandbreite, die einem da immer wieder abgefordert wird, oft muss man sich für einen Film in ein ganz neues Genre einarbeiten.
J.A.: Lass uns über die tägliche Studioarbeit reden. Wie groß schätzt Du den Anteil lokaler Kunden, die auch tatsächlich bei Dir aufnehmen?
M.M.: Ich schätze mal so ganz grob 50/50. Für die Produktion und Aufnahme eines Albums muss man halt immer noch vor Ort sein und das macht ja auch Spaß und sollte genauso sein. Aber gerade im Bereich Mixing und Mastering läuft ganz viel übers Netz. Gerade neulich hatte ich eine Band, die sich selbst im Proberaum aufgenommen und mir dann die Spuren für den Mix geschickt hat. Das hat ganz hervorragend geklappt. In solchen Fällen biete ich auch immer gerne an, sich schon vor den Aufnahmen mit mir in Verbindung zu setzt. Dann kann ich mit Tipps und Tricks bei der Aufnahme behilflich sein. Das kann von der Wahl der Mikrofone über die Organisation der Sessions bis hin zu Feedback zu den Arrangements gehen. In einigen Fällen habe ich den Bands auch schon Equipment von mir geliehen, Mikrofone und Preamps beispielsweise, damit weiß ich dann, dass ich später auch besseres Material zum mixen habe, was dann ja auch wieder Zeit spart.
J.A.: Inzwischen wird ja auch sehr viel über das Internet gearbeitet, mit Kunden und Mitarbeitern aus aller Welt, mit denen man Dateien hin- und herschickt. Wenn sich vor Ort kein Saxophonist für ein Solo findet, dann vielleicht in einer anderen Stadt oder gar einem anderen Land. Ist das für Dich relevant?
M.M.: Witzig, dass du das ansprichst, ich bin gerade dabei, mir da für alle Instrumente Leute zu suchen, denen ich im konkreten Fall Spuren und oder Noten schicken kann. Seit kurzem habe ich zB einen Drummer an der Hand, von dem ich weiß, dass er sein Drum Kit immer mikrofoniert bei sich im Proberaum aufgebaut hat. Dem was zu schicken und ihn darauf spielen zu lassen geht natürlich viel schneller als selbst ein Drum Kit aufzubauen, gerade wenn es sich nur um einzelne Songs handelt.
J.A.: Ich kann wirklich jedem Musiker empfehlen, sich auf diesem Weg ein paar Scheine dazu zu verdienen. Du hattest Deinen Logic Kurs bereits angesprochen. Kannst Du den kurz erläutern?
M.M.: Ich hab vor Jahren ein Buch über Logic geschrieben (Der Logic Profi Guide, PPV) danach haben mich immer wieder Leute gebeten Ihnen bei Logic Problemen zu helfen. Daraus hab ich dann mein Kursangebot entwickelt, die Leute buchen bei mir eine 5er oder 10er Karte und wir machen dann zusammen genau den Unterricht, den sie brauchen. Das heißt wir schauen uns gemeinsam an, wie sie bisher gearbeitet haben und wie dieser Workflow verbessert werden kann. Das ist dann ganz unterschiedlich und individuell zugeschnitten.
J.A.: Magst Du uns auch hier etwas zur Vermarktung erzählen? Besonders interessant ist, wie Du Dich damit inmitten der unendlichen Gratisangebote bei Youtube durchsetzt.
M.M.: Das läuft zum einen über meine Webseite (Stichwort SEO) und zum anderen ganz viel über die oben erwähnten Ebay Kleinanzeigen. Da schalte ich jede Woche eine Anzeige und scheinbar haben diese bei Google eine ziemliche Reichweite. Man muss aber auch sagen, dass das eine ziemliche Nische ist, die ich da bediene. Stichwort Gratisangebot bei Youtube, da will und kann ich mich gar nicht mit messen. Ich möchte den Leuten im konkreten Einzelfall helfen und keine allgemein gehaltenen Tutorials veröffentlichen. Diese gibt es ja schon zuhauf und in teils hervorragender Qualität. Gerne und oft schicke ich meinen Schülern auch solche Videos wenn ich etwas neues interessante Entdecke.
Das schöne ist, dass sich über den Unterricht hinaus auch oft noch weitere Kooperationen mit den Logic Schülern ergeben. Ganz oft kommt es z.B. vor, dass ich gefragt werde, ob ich nicht die Songs die sie produziert haben mastern könnte.
J.A.: Mastern ist ja auch ein gerüchteumwobenes Thema. Kannst Du Musikern ein paar Tipps geben, um ihren eigenen Mix so gut wie möglich auf ein Mastering vorzubereiten?
M.M.: Der beste und wichtigste Tipp: Sprecht rechtzeitig mit demjenigen, der das Mastering machen soll. Dann kann man euch am besten und ausführlichsten helfen. Wenn ihr auf den letzten Drücker mastern lässt und keine Zeit mehr dafür ist, eventuell nochmal zum Mix zurück zu kehren und Änderungen zu machen, verschenkt man oft einiges an Qualität. Ansonsten gilt: Headroom lassen, keine Effekte auf dem Stereobus, Bassbereich so sauber wie möglich mixen und eine Referenz zum mixen benutzen, die man dann auch dem Mastering Ingenieur mitschickt, damit der weiß wohin die Reise gehen soll. Ich biete den Leuten bspw auch an, Feedback zu ihrem Mix zu geben, dann kann man zu Hause nochmal mit meinen Tipps den Mix überarbeiten, so hab ich dann eine bessere Grundlage für das Mastering. Meist sind das Hinweise wie „Bassdrum einen Tick leiser“ oder „Vocals 1 dB lauter“…Und noch eins: tut euch selbst einen Gefallen und verlangt nicht nach super lauten Masterings (Stichwort Loudness War) das ist in Zeiten von Loudness Normalisation bei Spotify und Co nicht mehr nötig und klanglich auch ganz sicher abträglich.
J.A.: Dann dürfen natürlich auch ein paar Ratschläge zum Thema „Mix auf Entfernung“ nicht fehlen…
M.M.: Das wichtigste ist mir eigentlich, dass die Spuren ordentlich benannt sind und ich nicht erst lange überlegen muss worum es geht. Das kostet sonst einfach unnötig Zeit. Das beinhaltet, dass sich die Band auch schon für eine Spur pro Instrument entschieden hat und mir nicht fünf Gesangstakes schickt mit der Bitte, den besten auszuwählen. Auf der technischen Seite freue ich mich über ordentlich Headroom, bei 24 Bit Wandlern muss niemand bis unter 0 dB aussteuern. Außerdem find ich es hilfreich, einen groben Rough-Mix mitzuliefern als Orientierung für mich.
J.A.: Oh ja, das mit verschiedenen Takes zur Auswahl nervt. Oder Editierwünsche wie ‚tausch mal die Drumfills von erster und zweiter Strophe’. MusicBiz Madness fokussiert sich ja auf die geschäftliche Seite der Musik, daher noch meine Lieblingsfrage: Wieviel Prozent Deiner Zeit machst Du kreative Sachen wie komponieren, produzieren, mixen und mastern und wie viel fällt auf den geschäftlichen Teil mit Vermarktung, Schreibarbeit und ähnlichem?
M.M.: Ganz grob geschätzt wird irgendwas zwischen 10 und 20% meiner zeit sicher für administratives und Marketing drauf gehen. Ich hab da die letzten Jahre aber auch sehr viel gemacht und langsam aber sich zahlt sich das aus und es kommen immer mehr Anfragen auch wenn ich die letzten Wochen und Monate bedingt durch die Geburt meines Sohnes eher wenig bis gar nicht dazu gekommen bin Werbung zu machen. Es scheint hier also eine Art Langzeit Effekt zu geben.
J.A.: Dann danke ich Dir herzlich, dass Du Dir Zeit genommen hast, ein paar Fragen zu beantworten. Hier bekommst Du noch kurz Gelegenheit für Deine „Famous Last Words“:
M.M.: Ich danke dir, für die Gelegenheit mich hier ein wenig präsentieren zu können und hoffe dass die Leser das ein oder andere mitnehmen konnten. Wenn es da noch Nachfragen geben sollte stehe ich dafür gerne bereit, am besten via Mail oder über Facebook.
Wenn Du mehr über Moritz herausfinden oder ihn direkt engagieren magst, kannst Du ihn hier auf dem virtuellen Spiel… äh, Marktplatz finden:
Moritz‘ Website
Moritz‘ Band The Miss Sophies
…und bei Facebook ist er auch
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