Das Überangebot an immer obskureren Angeboten und Geschäftsmodellen sowie die klugen Ratgeber dahinter ziehen sich gerade eine neue Generation an ausbeutungsbereiten Musikern heran: Unter dem Deckmantel des Innovativen und des Hippen wird insbesondere dem jungen Nachwuchsmusiker der Preis- und Werteverfall schmackhaft gemacht, während jeder, der noch vernünftige Bezahlungen erwartet zu gerne als ewig gestrig dargestellt wird. Doch was genau passiert gerade?
Live macht das niemand mit
Beginnen wir zur Erklärung mit dem Livesektor, denn hier sind die Dinge noch greifbar, also mit gesundem Menschenverstand nachzuvollziehen. Auf die allseits bekannten Angebote, umsonst aufzutreten und dafür den Werbeeffekt mitzunehmen, geht (hoffentlich) niemand mehr ein. Selbst bei Gigs mit geringer Gage setzt irgendwann das wirtschaftlich kalkulierende Gehirn ein: 100 km Anreise, drei bezahlte Gastmusiker und zusätzlich angemietetes Licht – bei 120 Euro Gage wird draufgelegt.
Aber im Internet…
Die oben beschriebene Räson setzt jedoch schnell wieder aus, wenn der nächste Tech-Startup um die Ecke kommt, oder sich ein neuer Onlinemarktplatz mit noch fragwürdigeren Abrechnungsmodellen präsentiert. Schließlich mag man ja mit der Zeit gehen.
Beispiele gefällig? Bitteschön:
Für die Nutzung von Musik in Film und Fernsehen zahlen U.S. Sender unbekannten Musikern mindestens dreistellige, nicht selten auch vierstellige Beträge. Und doch gibt es Dienstleister, die sich damit rühmen, Musik in solchen Produktionen zu platzieren – und dem Musiker rein gar nichts dafür zu zahlen. Im Gegenteil, der Werbeeffekt sei ja schließlich kostenlos. Sei stolz!
Für Musikverlage besteht die Aufgabe heute überwiegend darin, die Veröffentlichung von Songs zu erwirken. Findet eine Veröffentlichung statt, darf der Verlag als Belohnung seinen Verlagsanteil einstreichen. Mit dem Versprechen, er dürfe alle seine Rechte und Anteile behalten macht man es dem Musiker allerdings immer wieder schmackhaft, für das reine (nicht nachweisbare) Anbieten seiner Songs im Voraus zu zahlen – wohlgemerkt unabhängig vom Erfolg des sogenannten Songpluggers.
Die Kluge-Ratschläge-Industrie
Fast schlimmer ist die Tatsache, dass man jungen, zumeist unerfahrenen Musikern regelrecht dazu rät, derartige Missstände als das einzig wahre zu akzeptieren. Zahllose Onlinekurse und digitale Fachbücher verschleiern „wie es wirklich läuft“, teils bewusst, zum Großteil aber aus mangelnder Kenntnis und Erfahrungen der Anbieter selbst.
Die Möglichkeit, die eigene Musik ins Fernsehen zu bringen wird so erst gar nicht mehr angesprochen, stattdessen werden sogenannte Microlizenzen propagiert, bei denen ein Musiker Centbeträge erhält, wenn jemand seinen Song in einem Youtube Video verwendet.
Auch der Verkauf von heutzutage schon „hochpreisigen“ Tonträgern oder Downloads findet in den Ratgebern kaum mehr Beachtung, stattdessen wird Streaming, eigentlich eine Werbemethode, als die neue Einnahmequelle schlechthin angepriesen, deren Ausschüttungen nicht einmal bei Superstars für die Miete reichen.
Umsätze und Gewinne werden geringschätzig vernachlässigt, stattdessen aber werden Facebook Likes und Youtube Views als Erfolgsindikatoren, regelrecht als Währung bezeichnet.
Dann wäre da noch jegliche Form der harten Arbeit, wie sie beispielsweise bei Promotionkampagnen zu Veröffentlichungen und Tourneen anfällt, die alleine durch das Allheilmittel Social Media ersetzt werden soll.
Es liegt auf der Hand
Doch warum kann das alles so laufen? Es ist klar: Menschen sprechen schneller auf Schlagworte wie „Erfolg für umme“ an, während man jemandem, der mit 2.000 Euro Budget und täglich 14 Stunden Arbeit großartiges erreicht hat, lieber nicht zuhört. Die Erkenntnis könnte ja ernüchternd sein. Dann schickt man ihn doch besser weg mit den Worten „Heute geht das ja alles anders“.
Aufklärung
Man sollte den jungen Nachwuchsmusiker dringend aufklären. Damit wird sowohl ihm selbst geholfen als auch allen anderen, die nach ihm kommen, ehe sich die Verarsche dank breiter Akzeptanz durch die Verarschten selbst etablieren kann.
Alt und neu, altmodisch und modern schließen sich nicht gegenseitig aus. Nur weil eine Sache neu ist, sollte sie nicht verteufelt werden – genauso darf man aber auch herkömmliche, aber bewährte, Methoden nicht als überholt belächeln. Hier macht es tatsächlich die Mischung aus.
Vor allem aber sollten sich Musiker bewusst werden, womit sie mit welchem Einsatz wie viel Geld verdienen können. Und hier kommen wir zurück zum Beispiel aus dem Livebereich. Der Aufwand, einen Gig zu bekommen, ist im Grunde immer der gleiche, unabhängig von der Höhe der Gage. Deshalb bemüht man sich möglichst gleich um einen gut bezahlten Gig, der die gleiche Gage liefert wie fünf kleine Gigs zusammen, deren Organisation aber rund fünfmal so aufwendig sein wird.
In der großen Mehrzahl der Fälle lassen sich 300 Euro einfacher durch Albumverkäufe verdienen als mit Youtube Ausschüttungen. Nur selten erreichen Selbstvermarkter mit einem Video über 20.000 Views, können aber durchaus 30 CDs bei ihren Konzerten oder über die eigene Website verkaufen.
Und wenn nun ein Fan am Merchstand vor einem steht, bietet man ihm dann sein Album zum Kauf an, oder bittet man ihn darum, die Bandpage bei Facebook zu liken?
Die Antwort ist völlig klar – aber heute leider nicht mehr selbstverständlich…
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